Klimawandel am Horizont

Klimawandel am Horizont

31. Mai 2023

Der 8. Juni ist der Welttag der Ozeane. Um zu erfahren, wie sich der Klimawandel auf unsere Ozeane auswirkt, haben wir uns mit dem Ozeansegler Oliver Heer und unserem Mangroven-Experten Nirmal Beura zusammengesetzt.

Mona-Kira Prestel sprach mit Oliver über seine Forschung auf See, mit Nirmal über seine Arbeit zum Schutz der Mangroven und darüber, was ihre Arbeit eint: die Zukunft unserer Wasserwege und der Meere als zentrale Elemente für unser Klima. 

Mona-Kira Prestel: Hallo Oliver, hallo Nirmal. Wir sprechen gleich darüber, wie sich der Klimawandel auf unsere Ozeane auswirkt. Bitte stellt euch zunächst kurz vor.  

Oliver Heer: Ich komme ursprünglich aus der Schweiz und segle inzwischen schon seit zehn Jahren professionell. Letztes Jahr habe ich meine eigene Segelkampagne ins Leben gerufen, mit dem Ziel, nächstes Jahr am Vendée Globe Race teilzunehmen. Dieses Rennen führt einmal um die Erde, ich bin alleine auf dem Boot und segle nonstop. Die ganze Reise dauert etwa 90 Tage. Der Kampf gegen den Klimawandel liegt mir sehr am Herzen. Ich habe die letzten acht Jahre mehr Zeit auf dem Meer als an Land verbracht. Ich sehe daher direkt, welchen Einfluss der Mensch auf das Klima hat – das lässt sich nicht mehr nur auf dem Land, sondern auch auf dem Wasser beobachten. 

Nirmal Beura: Ich leite bei ClimatePartner das Team für die Entwicklung naturbasierter Methoden zur Emissionseinsparung – sogenannte Nature based solutions. Da meine Aufgabe darin besteht, entsprechende Projekte zu entwickeln, habe ich viel mit Menschen zu tun, die nicht nur in ländlichen Umgebungen leben, sondern auch in Küstenökosystemen. In diesem Zusammenhang ist die Arbeit unseres Teams an den Mangroven sehr wichtig geworden. Wir haben Anpflanzungsprojekte in Kenia, im Gebiet von Mombasa, Projekte in Indonesien und Sri Lanka sind in Planung. 

Ihr seid beide Meeresspezialisten, da könnt ihr sicherlich darüber berichten, welche Veränderungen ihr in den letzten Jahren beobachtet habt. Oliver, eines der größten Risiken für einen Berufsskipper ist es, auf offener See mit unbekannten Objekten zusammenzustoßen – was genau schwimmt denn da im Wasser und haben diese Objekte im Meer in den letzten Jahren zugenommen? 

Oliver: Das Problem mit unbekannten Objekten auf dem Meer ist, dass wir nur sehr wenig tun können, um das Risiko eines Zusammenstoßes mit ihnen zu minimieren. Es treiben viele Dinge im Meer. Wir sehen Container, die von Frachtschiffen heruntergefallen sind, aber auch Holzpaletten, Ölfässer, losgelöste Fischerbojen, große Stücke von Fischernetzen sowie eine Menge Plastik und Metall. Diese Materialien brauchen sehr lange, um sich zu zersetzen. Wir versuchen, das Risiko einer Kollision zu minimieren, indem wir ein Kamerasystem auf meinem Mast in 30 Metern Höhe installiert haben. Ob die Vermüllung zunimmt? Tja, der Ozean ist sehr groß, aber ich stelle tatsächlich fest, dass wir immer häufiger Müll entdecken, vor allem in bestimmten Regionen, Nirmal wird mir zustimmen. (Nirmal nickt) 

Schwimmen tatsächlich Container im Meer?  

Oliver: Ja. Theoretisch gehen hunderte, wenn nicht tausende Container auf See verloren. Viele davon im Atlantik oder im Pazifik, den Hauptschifffahrtsrouten zwischen den Kontinenten. Aber die Ozeane sind so groß, dass ich schon sehr viel Pech haben müsste, um einen zu treffen. 

Und mit Blick auf das Klima und die Meeresgesundheit sind wahrscheinlich nicht die großen Objekte das Problem.  
  
Oliver: Das stimmt. Die größere Problematik beginnt, sobald die Objekte anfangen, sich zu zersetzen. Plastik kann so klein werden, dass wir als Menschen es nicht mehr erkennen können. Aber wenn man dann Messungen vornimmt, ist es überall. Und es beginnt, in unsere Nahrungskette zu gelangen. (Nirmal nickt) Das offensichtliche Problem, das man sehen kann, sind also die Objekte im Meer, aber sobald sie anfangen, sich zu zersetzen, werden sie zu einer noch größeren Gefahr für den Planeten und dafür gibt es eigentlich keine Lösung, weil buchstäblich winzige Partikel überall herumschwimmen. 

Nirmal, du bist ein Experte für die Wiederaufforstung von Mangrovenwäldern – warum ist diese Arbeit so wichtig? 

Nirmal: Wir restaurieren Mangroven zu einem bestimmten Zweck. Die Küstengemeinden sind völlig abhängig von diesen Mangroven, die Brutstätten für eine große Artenvielfalt, Flora und Fauna sind. Und sie sind wichtig für die Fischer in den Küstengürteln. Die Fische brüten unter den Wurzeln der Mangroven, die sie schützen. Aus diesem Grund kann der Verlust der Mangroven die Lebensgrundlagen der Küstengemeinden stark beeinträchtigen. Abgesehen davon sind Mangroven auch eine Art Schutz vor Naturkatastrophen. Der Klimawandel ist ein echtes Problem. Es kommt immer häufiger zu Sturmfluten, hohen Wellen und dem Anstieg des Meeresspiegels. Und wenn die Küstengemeinden nicht vor diesen Naturkatastrophen geschützt sind, kann man sich den Verlust von Leben und die Verwüstung vorstellen, die damit einhergehen. Deshalb sind die Mangroven in diesem Gürtel zehn Meter hoch und bilden einen biologischen Schutz für die Küstengemeinden. 

Wie schnell wachsen Mangroven?  

Nirmal: Es dauert zwanzig bis dreißig Jahre, bis sie ein Stadium erreicht haben, in dem sie nicht mehr wachsen. Die Mangroven werden häufig in, sagen wir, produktive Gebiete umgewandelt. Dadurch verlieren wir Mangroven. Das ist eine große Herausforderung.  

Oliver, du bist ein Zeuge für die Auswirkungen, die der Mensch auf das Meer hat. Dein Segeltörn hat den Hashtag #RaceForChange. Was willst du ändern, was ist dein Ziel? 

Oliver: Meine Segelkampagne hat einen großen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit. Jeder weiß, dass unser Klima, unser Planet und unsere Ozeane derzeit Probleme haben und dass die negativen Veränderungen in einem solchen Tempo voranschreiten, dass nicht einmal die Wissenschaft wirklich den Überblick behalten und verstehen kann, was vor sich geht. Unsere Nachhaltigkeitsstrategie besteht aus drei Säulen. Eine davon ist, dass wir Meeresdaten sammeln. Ich arbeite mit der Schweizerischen Bundesanstalt für Technologie, der Universität Lausanne und der Universität Bern zusammen. Und immer, wenn ich auf See bin, habe ich einen Sensor an Bord und wir erheben Meeresdaten wie Temperatur, Salzgehalt, CO2-Gehalt, Chlorophyllgehalt, um der wissenschaftlichen Welt ein besseres Verständnis der Vorgänge zu vermitteln. Ein zweiter Punkt ist, dass wir nachhaltige Technologien an Bord umsetzen. Ich habe einen Autopiloten und viele Instrumente, die Strom benötigen. Wir versuchen, das meiste davon aus Sonnenkollektoren oder Wasserkraft zu gewinnen. Und die dritte Strategie ist, dass wir zusammen mit ClimatePartner meine Emissionen berechnen und Klimaschutzprojekte unterstützen, um eine verantwortungsvolle Vendèe Globe-Kampagne zu segeln. Wir wollen zeigen, dass Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit keine Gegensätze sind. Wenn man es aus tiefstem Herzen betrachtet, ist es sogar ein Wettbewerbsvorteil. Wir wollen zeigen: "Hey, wenn wir das als junges Start-Up können, dann können das viele andere Firmen oder Unternehmen auch!" ClimatePartner hilft uns, unsere Klimabilanz zu berechnen und Klimaprojekte zu finanzieren. Das ist unsere Nachhaltigkeitsstrategie.  

Nirmal, wie bereits erwähnt, spürst auch du während deiner Arbeit in Meeresnähe die Auswirkungen des Klimawandels. Was genau hat sich in den letzten Jahren verändert? 

Nirmal: Der Anstieg des Meeresspiegels ist ein ziemliches Problem. Das wirkt sich auf die Mangroven aus, denn es handelt sich um ein Gezeiten-Ökosystem. Das Meerwasser kommt und geht zurück, und nur so können sie überleben. Wenn das Wasser über viele Tage hinweg stagniert, sterben sie ab. Das erhöht die Kosten für die Wiederaufforstung der Mangroven. Denn wenn sie immer wieder überflutet werden, ist das, was man gepflanzt hat, abgestorben. Also müssen wir wieder neu pflanzen. Mangroven brauchen beides, Süßwasser und Salzwasser. Die Flüsse speisen den Ozean, und dort, wo das Süßwasser auf das Salzwasser trifft, befinden sich die Mangroven. Aufgrund der Entwicklungsherausforderungen in den flussaufwärts gelegenen Gebieten kommt von dort eine ganze Menge Plastik und verstopft die Mangroven in Meeresnähe. Außerdem wird das Wasser für sie zu salzig, um zu überleben. Sie passen sich zwar an den Salzgehalt an, aber sie brauchen auch Süßwasser. Wenn also der Salzgehalt des Wassers zu stark ansteigt, kommt es zu einem großen Verlust, den wir bereits beobachten können. Der Klimawandel bringt uns leider eine Reihe komplexer Probleme. Und was das Plastik betrifft: Das Einsammeln des Mülls ist händisch nicht möglich, wir müssen aber unbedingt einen Mechanismus finden, um es trotzdem zu tun. 

An euch beide noch die Frage: Was fasziniert euch am meisten am Meer? 

Nirmal: Ich habe die meisten Küstengebiete in ganz Indien, Indonesien, Myanmar, Kenia und Sri Lanka besucht. Mangroven liegen mir sehr am Herzen, und es ist ein faszinierendes Ökosystem, mit dem man arbeiten kann. Auch wenn die Herausforderungen groß sind, bin ich eher derjenige, der anpackt. Daher versuche ich, Teil der Lösung zu sein. Und was immer ich von meiner Seite aus tun kann und welche Ressourcen ich mobilisieren kann, das ist es, weshalb die Arbeit an der Küste mich wirklich erfüllt.  

Und um die Schönheit zu erhalten, richtig?  

Nirmal: Auf jeden Fall, und die Artenvielfalt. Ich kann die Vielfältigkeit, die diese Art von Ökosystem mit sich bringt, gar nicht erklären – und jetzt haben wir Plastik in Fischkörpern und somit auch in unserer Nahrungskette – ich kann mir gar nicht vorstellen, wie sich das im nächsten Jahrzehnt auf uns alle auswirken wird. 

Oliver: Für mich besteht die Faszination darin, dass unser Planet sehr überfüllt ist und zwei Drittel des Planeten aus Wasser bestehen. Lange Zeit haben die Menschen nicht wirklich viel Zeit damit verbracht, die Ozeane zu studieren und zu erforschen. Ich glaube, wir wissen mehr über den Mond als über unsere Ozeane (lacht). Was mich fasziniert, ist die Ruhe, die man dort findet, und auch, wie sich die Umgebung verändern kann - es ist eine so dynamische Umgebung. An einem Tag scheint die Sonne, es ist herrliches Wetter, kein Wind, keine Wellen. Am nächsten Tag kommt ein halber Orkan auf mich zu, mit zehn Meter hohen Wellen, und dann ändert sich die Situation wieder. Und durch das Segeln auf dem Meer wird die Welt in gewisser Weise auch ganz klein. (Nirmal nickt) Land macht den Planeten groß, das Wasser macht ihn kleiner. Das ist es, was mich fasziniert. 

Vielen Dank euch beiden für das Gespräch.

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