Green Claims Directive gestoppt: Viel Lärm um nichts?
1. August 2025Im Juni 2025 schien die EU kurz davor, mit der Green Claims Directive einen verbindlichen Rahmen für freiwillige Umweltaussagen zu schaffen. Doch kurz vor Abschluss der Verhandlungen stoppte die EU-Kommission das Verfahren. Auslöser war der Widerstand der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Sie warnte vor Überregulierung, insbesondere für Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitenden oder unter zwei Millionen Euro Umsatz. Statt einer finalen Einigung gab es einen Prüfauftrag. Seitdem ist unklar, ob und in welcher Form die Richtlinie weiterverfolgt wird.
Worum ging es in der Green Claims Directive?
Die Green Claims Directive geht auf eine Untersuchung der EU-Kommission aus dem Jahr 2020 zurück. Dabei überprüfte die Kommission 150 Umweltaussagen von Unternehmen und kam zu einem ernüchternden Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Aussagen war vage, unbelegt oder irreführend. Rund 40 Prozent konnten durch keine nachvollziehbaren Daten oder Nachweise gestützt werden.
An diesem Punkt setzt die Green Claims Directive an. Künftig sollten Unternehmen nur noch nachweisbare, klare und überprüfbare Aussagen zu Umweltwirkungen machen dürfen. So könnten sich Verbraucher:innen beim Einkauf auf Versprechen wie „nachhaltig produziert“ oder „umweltfreundlich“ verlassen.
Kritik am Entwurf
Die Vorgaben waren streng, vor allem durch die vorgesehene ex-ante Prüfung: Bevor ein Claim veröffentlicht werden dürfte, hätte ein externer Gutachter oder eine Prüfstelle die Aussage validieren müssen. Viele Unternehmen, besonders kleine und mittlere (KMU), verunsicherte das. Denn es hätte bedeutet:
- zusätzlicher administrativer Aufwand
- unklare Zuständigkeiten bei der Nachweispflicht
- Kosten für externe Prüfstellen
- mögliche Verzögerungen bei Produkteinführungen und Kampagnenstarts
Besonders kritisch wurde bewertet, dass auch Kleinstunternehmen nicht von den Vorgaben ausgenommen werden sollten. Am 20. Juni 2025 setzte die EU-Komission das Gesetzgebungsverfahren zur Green Claims Directive vorerst aus, ohne den Entwurf formell zurückzuziehen. Seither liegt der Entwurf auf Eis. Wann und ob er wieder auf die Agenda kommt, ist derzeit offen.
Kein Freifahrtschein für Umweltversprechen
Auch wenn die Green Claims Directive vorerst gestoppt wurde, bedeutet das nicht, dass Umweltversprechen nun beliebig getroffen werden dürfen. Die rechtlichen Grundlagen bestehen bereits und werden konkreter.
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) regelt seit über 125 Jahren, wie Unternehmen in Deutschland werben dürfen. Die heute gültige Fassung wurde im Jahr 2004 umfassend modernisiert und an europäische Vorgaben angepasst.
Schon jetzt gilt: Wer Umwelt- oder Klimaversprechen nutzt, muss sie nachvollziehbar belegen können. Begriffe wie „CO₂-kompensiert“ oder „umweltfreundlich“ dürfen nicht irreführend sein.
Die deutsche Rechtsprechung konkretisiert diese Vorgaben zunehmend. So entschied der Bundesgerichtshof im Juni 2024, dass Aussagen ohne nachvollziehbare Angaben zur Emissionsbilanz, zur Reduktionsstrategie und zur Kompensation rechtlich angreifbar sind.
Empowering Consumers Directive (EmCo)
Die Empowering Consumers Directive (EU 2024/825, kurz „EmpCo“) ist seit März 2024 in Kraft und ergänzt die Green Claims Directive im Rahmen des EU Green Deal. Während die Green Claims Directive festlegt, wie Unternehmen ihre Umweltversprechen wissenschaftlich belegen und verifizieren müssen, richtet sich die EmpCo speziell an den B2C-Bereich und stärkt den Verbraucherschutz.
Die wichtigsten Inhalte der EmCo:
- Allgemeine Begriffe wie „umweltfreundlich“ oder „grün“ dürfen nur verwendet werden, wenn sie belegt und überprüfbar sind.
- Zukunftsversprechen (z. B. „klimaneutral bis 2030“) benötigen einen nachvollziehbaren Umsetzungsplan.
- Labels und Siegel müssen unabhängig, transparent und nachvollziehbar sein.
Die Mitgliedstaaten müssen die Vorgaben bis spätestens März 2026 in nationales Recht überführen und ab September 2026 ist das neue Recht verbindlich anzuwenden.
Umsetzung ins UWG
Im Juli 2025 hat das Bundesjustizministerium einen Referentenentwurf zur Änderung des UWG veröffentlicht. Die Inhalte der EmpCo-Richtlinie sollen dabei 1:1 ins bestehende UWG übernommen werden:
- Einführung des Begriffs „Umweltaussage“
- Klare Regeln für zulässige und unzulässige Claims
- Beleg- und Dokumentationspflichten
- Erweiterter Anhang mit Beispielen unlauterer Praktiken
Damit wird die EmpCo zur praktischen Grundlage für die nationale Kontrolle von Umweltaussagen und das UWG deutlich präzisiert.
Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?
Die Anforderungen an Umweltkommunikation steigen, unabhängig vom Status der Green Claims Directive. Wer transparent und glaubwürdig kommunizieren will, braucht Substanz. Und wer Umweltversprechen macht, muss diese belegen.
Das heißt konkret:
- Bestehende Aussagen überprüfen auf Klarheit, Nachvollziehbarkeit und belegbare Aussagen zur Umweltwirkung
- Zukunftsziele belegen etwa durch veröffentlichte Reduktionspfade, Investitionspläne oder wissenschaftsbasierte Ziele (z. B. SBTi); entscheidend ist, wie diese Ziele erreicht werden sollen – das Ziel allein genügt nicht
- Dokumentation strukturieren z. B. durch Emissionsbilanzen, Maßnahmenpläne und Nachweise zu eingesetzten Methoden oder Systemgrenzen
- Kommunikation rechtlich und inhaltlich absichern mit klaren Prozessen, belastbaren Fakten und ehrlicher Darstellung der tatsächlichen Wirkung
- Nur zulässige Siegel einsetzen, also Umweltsiegel, die auf einem transparenten, unabhängigen Zertifizierungssystem basieren und die gesetzlichen Anforderungen erfüllen
Auch wenn die Green Claims Directive vorerst auf Eis liegt: Der rechtliche Rahmen entwickelt sich weiter und die Erwartungen der Verbraucher:innen steigen. Klare, überprüfbare Aussagen sind nicht nur eine Frage der Compliance, sondern entscheidend für Vertrauen, Markenschutz und Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmen, die jetzt handeln, können regulatorische Klarheit in einen strategischen Vorteil verwandeln.