COP15: Unternehmen und Biodiversität - Wechselwirkungen verstehen und Maßnahmen umsetzen

COP15: Unternehmen und Biodiversität - Wechselwirkungen verstehen und Maßnahmen umsetzen

9. Januar 2023

Mit zweijähriger Verspätung wurde auf der Biodiversitätskonferenz UN CBD COP15 im Dezember 2022 das Kunming-Montreal-Abkommen angenommen. Es ist die Basis für ein neues Global Biodiversity Framework (GBF), das schon jetzt wegen der breiten Zustimmung der Länder als Meilenstein gilt. 
Im Abkommen verpflichten sich 196 Länder, den Verlust der Artenvielfalt bis 2030 zu stoppen und umzukehren - ein globales Ziel, das in seiner Signalwirkung und Bedeutung mit dem 1,5 Grad-Ziel im Kampf gegen die Erderwärmung gleichzusetzen ist. Damit die Länder dieses Ziel erreichen können, müssen sie ihre nationalen Biodiversitätsstrategien und -aktionspläne überarbeiten. Im Abkommen wurden messbare Ziele, sowie Mechanismen festgehalten, die den Fortschritt der Länder überwachen. 

Die große Zustimmung seitens der Staatengemeinschaft und die Ambition bei der Zielsetzung zeigt, dass langsam ein Umdenken stattfindet und der Erhalt der Artenvielfalt nicht länger als zweitrangige, weniger wichtige Herausforderung im Vergleich zur Klimakrise gesehen werden kann. Beide Themen sind untrennbar miteinander verbunden und müssen deshalb gemeinsam betrachtet werden.

Die wichtigsten Ergebnisse der COP15

  • Bis 2030 sollen, mit dem 30x30 Ziel, weltweit mindestens 30 % des Landes, des Süßwassers und der Ozeane geschützt werden. Auch 30 % geschädigter Ökosysteme sollen wiederhergestellt werden.
  • Die Rolle der indigenen Völker und lokaler Gemeinschaften sowie die Beiträge indigener und traditioneller Gebiete zur Erreichung dieses Ziels wurden offiziell anerkannt. Ihre Rechte sollen respektiert werden. 
  • Ein Finanzpaket zur Unterstützung der weltweiten Naturschutzbemühungen, insbesondere in Ländern des Globalen Südens, wurde beschlossen.
  • Im Rahmen der Global Environment Facility (GEF) wurden bis 2030 jährlich 30 Milliarden Dollar zusätzlicher Unterstützung für die Artenvielfalt geplant.
  • Regierungen werden dazu verpflichtet, Subventionen abzuschaffen, die der Natur schaden.
  • Innerhalb unserer Ernährungssysteme wurde die Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks und eine Halbierung der Lebensmittelverschwendung sowie des Pestizideinsatzes beschlossen. 
  • Große Unternehmen und Finanzinstitutionen werden verpflichtet, ihre Risiken, Abhängigkeiten und Auswirkungen auf die Artenvielfalt im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit, ihrer Liefer- und Wertschöpfungsketten und ihres Portfolios zu überwachen, zu bewerten und transparent offenzulegen.

 

Was bedeuten die Ergebnisse der COP15 für Unternehmen?

Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel werden heute als globale Top-Risiken eingestuft. Auch der Verlust der Biodiversität stellt laut Weltwirtschaftsforum das drittgrößte Risiko für die Weltwirtschaft dar. Während schon viele Unternehmen daran arbeiten, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren und unvermeidbare Emissionen auszugleichen, betrachten nur wenige ihre Auswirkungen auf die Natur. Das Kunming-Montréal-Abkommen zeigt jedoch, dass das Bewusstsein für die planetaren Grenzen endlich auf der globalen politischen Bühne angekommen ist, und sendet so auch ein wichtiges Signal an die Wirtschaft. Die COP 15 und die Umsetzung der Beschlüsse werden einen großen Einfluss darauf haben, wie sich Firmen in Zukunft aufstellen und wirtschaften.
Die Wirtschaft war auf der COP15 deutlich präsenter als auf vorherigen Konferenzen. Überraschend dabei war, wie viele Unternehmen sich dafür stark machten, die Berichterstattung über die Natur verbindlich festzulegen. Das neue Global Biodiversity Framework gibt für die Wirtschaft und das Finanzwesen eine klare Richtung vor: 

1.    Gesetzliche Vorgaben zum Schutz der Biodiversität sind nötig 
Die Zielvorgaben der COP15 halten Regierungen dazu an, vor allem große multinationale Unternehmen und Finanzinstitute dazu aufzurufen, ihre Risiken und Abhängigkeiten in Bezug auf die Artenvielfalt zu bewerten, zu überwachen und offenzulegen. Diese Daten sollen auch Verbraucherinnen und Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden, sodass sie eine bewusste Kaufentscheidung treffen können. Zudem sollen Unternehmen künftig verpflichtet werden, kurz-, mittel- und langfristige Aktionspläne mit entsprechenden Maßnahmen zu erstellen und Fortschritte festzuhalten.

Konkrete Anforderungen und auch Hilfestellung für Unternehmen formulieren diverse Standards, die sich inhaltlich an die Zielsetzung von COP15 orientieren. Das International Sustainability Standards Board (ISSB) wird deshalb Umweltdaten in seine Offenlegungsstandards aufnehmen. Auch die Taskforce for Nature-related Financial Disclosures (TNFD) und das Science Based Target Network (SBTN) werden 2023 neue Standards vorlegen. 

2.     „Nature Positiv" muss definiert werden 
Nature Positive bedeutet, den Verlust von Naturräumen aufzuhalten und umzukehren, sodass sich Arten und Ökosysteme erholen können. Viele Unternehmen nutzen bereits diesen Claim in ihrer Kommunikation. Bisher gibt es jedoch weder eine wissenschaftlich fundierte Definition noch Messgrößen, ein Regelwerk oder eine Zertifizierung, die Nature Positive einordnen. Dies ist allerdings wichtig, um Greenwashing zu vermeiden.

Gemeinsam mit Verbänden, NGOs und der Wissenschaft hat die Wirtschaft nun die Chance, den Begriff zu definieren und entsprechende Maßnahmen vorbildlich umzusetzen. 

3.    Landwirtschaft und nachgelagerte Industrien werden in die Verantwortung gezogen
Landwirtschaftliche Praktiken sind der Hauptgrund für Landnutzungsänderungen und die damit oftmals einhergehende Beeinträchtigungen von Ökosystemen. Mehrere Ziele des GBF richten sich deshalb gezielt an den landwirtschaftlichen Sektor. Dies schließt auch nachgelagerte Branchen wie die Lebensmittel-, Getränke-, Sport-, Kosmetik- und Modeindustrie mit ein.

Damit das 30x30 Ziel erreicht werden kann, soll die Verwendung von Pestiziden und hochgefährlichen Chemikalien deutlich verringert, Flächen im Einklang mit dem Ökosystem bewirtschaftet und der Verbrauch von Ressourcen sowie das anschließende Abfallmanagement nachhaltig gestaltet werden. Zudem soll sichergestellt werden, dass die Ernte und der Handel mit wildlebenden Arten "nachhaltig, sicher und legal" umgesetzt wird. Auch die "faire und gerechte Nutzung genetischer Ressourcen" wird für Unternehmen in diesen Bereichen von Bedeutung sein.

Ein tiefgreifender Wandel ist nötig, um innerhalb planetarer Grenzen zu wirtschaften

Während im Klimaschutz klare Aktionspläne aufgestellt werden, müssen Unternehmen zusätzlich die Artenvielfalt dringend miteinbeziehen. Denn ohne den Schutz unserer Lebensgrundlage - der Natur -ist das Pariser Klimaabkommen sinnlos. Um die planetaren Herausforderungen zu bewältigen, müssen Weltgemeinschaft und Wirtschaft die Biodiversität auf eine Stufe mit dem Klimaschutz stellen. Die Risiken in diesem Zusammenhang wirken sich auf viele Bereiche wie Arbeitsplätze, das BIP, Gesundheit und Ernährungssicherheit bis hin zum Klimawandel aus. Im ersten Schritt können Unternehmen lernen, ihre Auswirkungen, Abhängigkeiten und Risiken im Zusammenhang mit der Artenvielfalt zu verstehen. Darauf aufbauend können sie wissenschaftlich fundierte Pläne und Initiativen entwickeln, um ihre Einflüsse mithilfe der Rahmenwerke des SBTN- und TNFD zu verringern.  

Die Bewertung und Offenlegung der Daten werden einen fairen Wettbewerb unter Unternehmen schaffen, die Rechenschaftspflicht erhöhen, Investoren einbeziehen, Verbraucherinteressen stärken, alle Akteure in der Lieferketten miteinbeziehen und dazu beitragen, die Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften zu gewährleisten.

Im Klimaschutz zeigt sich, dass Offenlegung zu Maßnahmen führt. Auch der Zugang zu den richtigen Informationen in Bezug auf Biodiversität wird Regierungen, Investoren, Unternehmen, Verbraucherinnen und Verbrauchern zu besseren Entscheidungen verhelfen und letztendlich den Übergang zu einer naturfreundlichen Wirtschaft beschleunigen. Sowohl positive als auch negative geschäftliche Auswirkungen werden nun anerkannt, belohnt oder bestraft.
Um die Artenvielfalt und das Klima zu schützen, kommt es vor allem auf die Zusammenarbeit aller Stakeholder an: Bündnisse, Regierungen, die Wirtschaft, einzelne Sektoren und Verbände. Dazu braucht es einen grundlegenden Wandel in der Kooperation, Produktion und Kommunikation. Einige Unternehmen gehen bereits voran und arbeiten nach Modellen der Kreislaufwirtschaft. Diese müssen flächendeckend umgesetzt werden. 

Die Zeit läuft – beim Klimaschutz und auch bei der Artenvielfalt

ClimatePartner begrüßt das 30x30 Ziel und möchte gleichzeitig daran erinnern, dass - basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen – nicht nur 30 % sondern mindestens 44 % der Flächen geschützt werden müssten, um Biodiversität zu erhalten. Zusätzlich darf, wie auch im Klimaschutz, beim Schutz der Artenvielfalt der zeitliche Aspekt nicht vernachlässigt werden. Der „Living Planet Report 2022“ des WWF stellt fest, dass die Wildtierpopulationen in den letzten 50 Jahren um durchschnittlich 69 % zurückgegangen sind. In der Nahrungsmittelproduktion liegt der Rückgang der Arten insgesamt bei 75 % (Tiere und Pflanzen). Das Risiko des Artensterbens steigt in einem Tempo, das in der Geschichte der Menschheit beispiellos ist. Maßnahmen müssen deshalb sehr zeitnah umgesetzt werden. 
Gerade deshalb stellt das Abkommen einen wichtigen Meilenstein für die Erhaltung unserer Natur dar. Die Artenvielfalt stand noch nie so weit oben auf der politischen und wirtschaftlichen Agenda. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass es durch eine langsame Umsetzung und das Versäumnis, versprochene Ressourcen zu mobilisieren, untergraben wird. Zudem fehlt ein verbindlicher Mechanismus, der die Regierungen zur Rechenschaft zieht, wenn Ziele nicht erreicht werden. 

Machen Sie den ersten Schritt

Unternehmen die bereits heute Maßnahmen zum Schutz der Natur umsetzen, stärken langfristig ihre eigene Widerstandsfähigkeit und leisten sie einen sichtbaren Beitrag zur Bewältigung der globalen Krise. Viele unserer Klimaschutzprojekte fördern und schützen die Biodiversität und zahlen auf das 17. Nachhaltigkeitsziel ein. Mit der Investition in diese Projekte gehen Sie schon den ersten Schritt. Auch die Bildung der Mitarbeitenden trägt zum Wandel bei und ist eine nachhaltige Investition in den Schutz unseres Planeten und dessen Lebewesen. Schaffen Sie Wissenstransfer, erfahren Sie mehr über Nachhaltigkeit und melden Sie sich und ihre Mitarbeitenden heute kostenlos zu unserer School of Sustainability an!