Climate Action Insights: Die Vor- und Nachteile einer CO2-Besteuerung

Climate Action Insights: Die Vor- und Nachteile einer CO2-Besteuerung

5. März 2021

Eine Diskussion von Emilien Hoet, ClimatePartner UK

 

Kann ein Gesetz die CO2-Emissionen bei Lebensmitteln reduzieren, ohne dabei jemanden zu benachteiligen? Vor dieser Frage stehen Wissenschaft, Klimaaktivistinnen und -aktivisten, Politik sowie die Lebensmittel- und Agrarindustrie mit dem gemeinsamen Ziel Net Zero zu erreichen, um die globale Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen.

Die Nahrungsmittelproduktion ist für ein Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen (THG) verantwortlich, allein die Fleisch- und Milchindustrie tragen zusammen etwa 14,5 % dazu bei1. Die Sachlage ist also klar, und auch in der Öffentlichkeit mehren sich die Stimmen, dass wir unsere Ernährung ändern müssen, um weiteren erheblichen Schaden an der Umwelt zu verhindern.

Bislang zielen Gesetze, mit denen die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels vermieden werden sollen, vor allem auf die Dekarbonisierung der Energie- und Transportbereiche. Im Vorfeld der UN-Klimakonferenz 2021 (COP26) gewinnt jedoch der Vorschlag an Dynamik, eine „CO2-Steuer“ auch auf emissionsreiche Lebensmittel einzuführen.

CO2-Steuer: ein Instrument auf dem Vormarsch

Die Idee ist einfach – zusätzliche Steuern und Abgaben auf Lebensmittel mit höheren Kohlendioxidemissionen. Viele sehen darin ein effektives Instrument, um Konsumentscheidungen zu beeinflussen. Kritiker fürchten jedoch, dass es in Zeiten von Arbeitslosigkeit und ohnehin knapper Finanzmittel vor allem die Lebenshaltungskosten vieler noch weiter erhöhen wird.

CO2-Steuern und Emissionshandelssysteme gibt es bereits in über 40 Ländern2. Sie zielen allerdings nur selten auf Emissionen bei der Lebensmittelproduktion ab, wie etwa die gemeinsame Agrarpolitik der EU. Sie bietet Landwirten über direkte und freiwillige Zahlungen Anreiz, ihre Emissionen zu reduzieren. Dazu gehören u. a. eine gute Bodenbewirtschaftung, Fruchtfolge und Diversifizierung, Schutz von Grasland, biologische Methoden und die Wiederherstellung von Feuchtgebieten3. Bisher hat noch kein Land eine CO2-Steuer für Lebensmittel eingeführt.

Wer bezahlt dafür?

In Großbritannien fordert eine einflussreiche Koalition der führenden Gesundheitsorganisationen des Landes – The UK Health Alliance on Climate Change (UKHACC) – die Einführung einer Klimasteuer auf Lebensmittel mit hoher Umweltbelastung bis 2025, sofern die Lebensmittelindustrie ihre Emissionen nicht freiwillig deutlich senkt.

Diese Steuer soll nach dem Verursacherprinzip in erster Linie vom Hersteller getragen werden. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass viele Hersteller diese zusätzlichen Kosten durch eine Preiserhöhung ausgleichen, die Einzelhändler und letztendlich Verbraucher zahlen werden.

Selbst wenn die Verbraucher tatsächlich höhere Preise zahlen müssten, so die UKHACC, zeigen frühere Beispiele wie die Steuer auf zuckerhaltige Erfrischungsgetränke und Plastiktüten, dass derartige wirtschaftspolitische Maßnahmen Verhaltensänderungen herbeiführen und schädliche Konsumgewohnheiten einschränken können. Das britische Finanzministerium schätzt, dass 50 % der Lebensmittelhersteller nach Einführung der sogenannten Zuckersteuer im Jahr 2014 die Zuckeranteile in ihren Rezepturen angepasst haben4.

Untersuchungen aus anderen Ländern bestätigen ebenfalls die Wirksamkeit einer solchen Lebensmittelsteuerpolitik. In einer viel zitierten Studie aus Schweden wurde festgestellt, dass eine hypothetische Steuer auf sieben Fleisch- und Molkereiprodukte entsprechend ihrer Umweltauswirkungen zu einer Reduzierung der viehbezogenen Treibhausgasemissionen um 12 % führen würde5.

Herausforderungen einer Besteuerung

Immer mehr Unternehmen gleichen ihre Emissionen aus und führen damit effektiv eine freiwillige Steuer ein, die zur Vermeidung, Reduzierung oder Bindung von CO2 an anderer Stelle beiträgt. Das wachsende Bewusstsein und die Begeisterung für klimaneutrale Produkte zeigen darüber hinaus, dass einige Verbraucher bereit sind, mehr für Produkte zu zahlen, deren Emissionen reduziert und ausgeglichen sind. Im Grunde kommt das den wahrscheinlichen Ergebnissen einer verordneten Klimaneutralität durch CO2-Besteuerung gleich.  

Allerdings waren solche Maßnahmen nicht immer so erfolgreich. Als Frankreich 2018 eine Dieselsteuer einführte, wurde dies in der Theorie als gute Idee wahrgenommen, aber sie traf viele verarmte ländliche Gebiete, in denen die Menschen aufgrund fehlender öffentlicher Verkehrsmittel auf ihr Auto angewiesen sind. Die Einführung der Steuer führte zu einer heftigen Gegenreaktion, die sich dann zu einem breiteren Protest ausweitete, der als Gelbwestenbewegung bekannt wurde.

Die CO2-Besteuerung von Lebensmitteln ist also eine komplizierte Angelegenheit und nicht ohne Risiko. Jegliche Besteuerung muss so eingeführt werden, dass sie nicht diejenigen unverhältnismäßig trifft, die mit finanziellen Problemen zu kämpfen haben. Dieser Gerechtigkeitsaspekt war noch nie so wichtig wie in der aktuellen wirtschaftlichen Situation. Die Realität ist eben, dass einige CO2-intensive Lebensmittel wie Fleisch und Milchprodukte nicht nur kalorienreich und nährstoffreich sind, sondern auch eine wesentliche soziale und kulturelle Rolle in unseren Gesellschaften spielen. Es ist sehr schwierig, von heute auf morgen einen Kulturwandel zu fordern, vor allem, wenn vegane Ersatzprodukte noch nicht weit verbreitet und auch nicht kostengünstig sind.

Eine gerechte Steuer für alle

Während die Erhebung von Abgaben für Produzenten auch als Anreiz dienen könnte, Veränderungen auf der Produktionsebene herbeizuführen, könnten solche Abgaben auch dazu beitragen, Lebensgrundlagen zu gefährden. Viehzüchter spielen zweifellos eine entscheidende Rolle bei der Reduzierung der globalen Erwärmung, aber sie müssen vor Importen von billigeren, emissionsreichen tierischen Produkten geschützt werden, die den inländischen CO2-Steuern entgehen.  

Die britische Regierung hat die Pläne zur Einführung einer Kohlenstoffsteuer auf bestimmte Lebensmittel vorerst fallen gelassen, allerdings sind Lebensmittel in einem Plan zur CO2-Reduzierung enthalten, der die Emissionen in allen Bereichen der Wirtschaft einpreist und der vor der COP26 vorgestellt werden soll. Ein Teil davon könnte eine CO2-Steuer innerhalb des nächsten Jahrzehnts sein. Während sie ein effektiver Weg wäre, um den Übergang zu einer CO2-armen Lebensweise zu beschleunigen, müssen wir sicherstellen, dass sie fair ist und keine zu einfache, vereinheitlichende Politik, welche die ohnehin schon Benachteiligten negativ beeinflusst.

Es könnte auch das bessere Vorgehen sein, auf alternative, „nachhaltigere“ Lebensmittel zu schauen – die entweder aus regenerativer Landwirtschaft stammen und weniger CO2-Emissionen verursachen oder die Lebensmittel mit hohem CO2-Fußabdruck ganz ersetzen können.  Die Einnahmen aus einer CO2-Besteuerung sollten auch dazu verwendet werden, positive Anreize für Produzenten zu schaffen, nachhaltige Praktiken zu fördern und den Kohlenstoffabbau in landwirtschaftlichen Betrieben durch Agroforstwirtschaft und CO2-Bindung im Boden zu unterstützen, anstatt nur auf Strafe zu setzen.   

 

[1]UN Food and Agricultural Organization (FAO)

[2] The World Bank; 2021; Carbon Pricing Dashboard

[3] EU Climate Policy Information Hub; Agriculture and Climate Change in the EU: An Overview – Policies relating to agriculture

[4]Gaynor Selby; 6 April 2018; UK sugar tax comes into force: Key suppliers react to levies as low sugar claims strongly influence purchases; Food Ingredients First

[5]Sarah Sall & Ing-Marie Gren; August 2015; Effects of an environmental tax on meat and dairy consumption in Sweden; Swedish University of Agricultural Sciences