Sind wir bald alle klimaneutral?

Sind wir bald alle klimaneutral?

24. September 2019

Sind wir bald alle klimaneutral?

Was die CO2-Bepreisung der Politik für den freiwilligen Klimaschutz bedeutet

Am vergangenen Freitag hat sich die große Koalition auf die Einführung eines Emissionshandelssystems für die Sektoren Verkehr und Gebäude ab dem Jahr 2021 geeinigt. Für viele Unternehmen stellt sich deshalb die Frage, welche Auswirkungen das neue System auf ihre Klimaneutralität hat. Aus diesem Anlass beantworten wir Ihnen hier die wichtigsten Fragen dazu.

Warum wird ein nationales Emissionshandelssystem eingeführt?

Deutschland hat sich gegenüber der EU zur Reduktion von CO2-Emissionen verpflichtet. Bis zum Jahr 2020 wollte Deutschland seinen CO2-Fußabdruck um 40 Prozent senken. Bereits jetzt ist klar, dass dieses Ziel nicht erreicht werden kann.

Um die Klimaziele für das Jahr 2020 möglichst schnell zu erreichen und das Ziel für 2030 nicht auch zu verfehlen (die Reduktion um mind. 55 Prozent), sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich. Wichtige Handlungsfelder für eine Reduktion von CO2-Emissionen sind Verkehr und Gebäude. In beiden Bereichen wurden bislang kaum nennenswerte Beiträge zur Reduktion von CO2-Emissionen geleistet.

Durch die Einführung eines Emissionshandelssystems für Verkehr und Gebäude werden die Preise für Benzin, Diesel, Heizöl, Flüssiggas, Kohle und Erdgas steigen. Dadurch sollen Anreize für die Entwicklung von klimafreundlichen Innovationen und zur Nutzung entsprechender Alternativen geschaffen werden.

Wie soll das Emissionshandelssystem funktionieren?

Um das System so einfach wie möglich zu halten, werden die Inverkehrbringer und Händler von fossilen Brenn- und Kraftstoffen Zertifikate für ihre Produkte kaufen müssen. 

Von 2021 bis 2025 wird es sich bei dem Emissionshandelssystem um ein Festpreissystem handeln, bei dem der Preis für eine Tonne CO2 vorgegeben wird. Von 10 EUR pro Tonne soll der Preis schrittweise auf 35 EUR pro Tonne steigen. Zunächst wird es dabei keine Obergrenze für Emissionen geben.

Anbieter von fossilen Brenn- und Kraftstoffen müssen für jede Tonne CO2, die durch die Verbrennung ihrer Produkte verursacht wird, ein Zertifikat erwerben. Werden in Summe mehr Zertifikate benötigt als Deutschland an Emissionen im Bereich Gebäude und Verkehr verursachen darf, müssen zusätzliche Zertifikate aus anderen EU-Ländern erworben werden.

Ab 2026 wird eine maximale Emissionsmenge festgelegt, die von Jahr zu Jahr geringer wird. Diese ergibt sich aus den im Klimaschutzplan 2050 und entsprechenden EU-Vorgaben. Die jeweiligen Zertifikate werden über Auktionen und andere Handelsplätze verkauft. Die Preise werden über Angebot und Nachfrage bestimmt, wobei es für das Jahr 2026 einen Mindestpreis von 35 EUR und einen Höchstpreis von 60 EUR je Tonnen CO2 geben wird. Ab 2027 erfolgt eine Prüfung ob die Rahmenbedingungen angepasst werden müssen.*

Wird der Fuhrpark oder die Heizung eines Unternehmens dadurch klimaneutral?

Nein, durch die Einführung eines nationalen Emissionshandelssystems erfolgt keine Kompensation von Emissionen. Das System sorgt dafür, durch einen Preismechanismus alternative Energiequelle attraktiver zu machen, aber es entsteht keine Klimaneutralität. Auch zukünftig ist die Unterstützung zertifizierter Klimaschutzprojekte die einzige Möglichkeit, klimaneutral zu werden und bleibt ein essenzieller Bestandteil im internationalen Klimaschutz. Damit unterscheiden sich Zertifikate für den nationalen Emissionshandel grundlegend von Zertifikaten, die für die Erreichung von Klimaneutralität genutzt werden.

Was bedeutet das in der Praxis für die Klimaneutralität meines Unternehmens oder meiner Produkte?

Für Unternehmen bedeutet die Einführung eines Emissionshandelssystems für die Sektoren Verkehr und Gebäude zunächst einmal, dass die Kosten für Benzin, Diesel, Heizöl, Flüssiggas, Kohle und Erdgas in Zukunft steigen werden. Im besten Fall werden die CO2-Emissionen dadurch etwas schneller gesenkt. 

Klimaneutral werden dadurch weder Unternehmen noch ihre Produkte. Der Ausgleich von nicht vermeidbaren Emissionen wird auch in Zukunft über Zertifikate aus Klimaschutzprojekten erfolgen, die internationale Standards wie VCS oder Gold Standard erfüllen und denen eine zertifizierte Einsparung von CO2 entgegensteht.

Freiwilliger Klimaschutz ist und bleibt entscheidend

"Es muss rasch und entschlossen gehandelt werden, um den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich zu begrenzen", so heißt es in der Einleitung zum Klimaschutzprogramm der Bundesregierung. Und weiter: "Auch bei wirtschaftlicher Betrachtung gilt: Je höher der Temperaturanstieg ist, desto erheblicher sind die Kosten für Klimaschäden sowie die erforderlichen Anpassungskosten an den Klimawandel, die bei weitem die Vermeidungskosten übersteigen." 

Die Klimaschutzziele der Bundesregierung sind dafür vor allem ein Anfang. Um die Klimaerwärmung tatsächlich auf unter 2° zu begrenzen, müssen wir weiter in zusätzliche Klimaschutzprojekte investieren. Wir müssen dafür sorgen, dass sich die ärmeren Länder der Welt nachhaltig entwickeln. Das geht nur mit freiwilligem Klimaschutz und klimaneutralen Produkten und Unternehmen.

*) Die Bepreisungspläne der Bundesregierung wurden im Dezember 2019 aktualisiert: Demnach soll der CO2-Preis ab Januar 2021 auf zunächst 25 Euro pro Tonne festgelegt werden. Danach steigt der Preis schrittweise bis zu 55 Euro im Jahr 2025 an. Für das Jahr 2026 soll ein Preiskorridor von mindestens 55 und höchstens 65 Euro gelten.