Studienanalyse von West et al. (2023): "Action needed to make carbon offsets from tropical forest conservation work for climate change mitigation"

Studienanalyse von West et al. (2023): "Action needed to make carbon offsets from tropical forest conservation work for climate change mitigation"

2. Februar 2023

Im Zuge der Vorwürfe von The Guardian und DIE ZEIT gegen Verra-zertifizierte Waldschutzprojekte und den REDD+-Mechanismus hat ClimatePartner die zitierten Quellen einer detaillierten Analyse unterzogen. Diese Seite widmet sich der Studie von West et al. (2023). ​ ​

Weitere von ClimatePartner überprüfte Studien sind West et al. (2020) and Guizar-Coutiño (2022). ​ ​

Eine zusammenfassende Bewertung der Studien sowie Links zu Stellungnahmen anderer Marktteilnehmer finden Sie hier.


Eckdaten zur Studie

Autoren: Thales A. P. West, Sven Wunder, Erin O. Sills, Jan Börner, Sami W. Rifai, Alexandra N. Neidermeier, Andreas Kontoleon​ ​

Details zur Veröffentlichung:​ Januar 2023 (noch nicht in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht)​ ​

Methode von West et al. (2023):​

  • Zur Festlegung der kontrafaktischen Werte und zur Bewertung der Verringerung des Waldverlustes wird eine synthetische Kontrollmethode verwendet. Diese Methode wird durch einen systematischen Vergleich der Entwaldungs-Basiswerte (ex-ante) mit der kontrafaktischen Entwaldung ex-post angewandt. ​ ​
     
  • Synthetische Kontrollen wurden auf der Grundlage von Kontrollgebieten erstellt, die einem ähnlichen Entwaldungsdruck und ähnlichen Merkmalen wie die ausgewählten REDD+-Projekte ausgesetzt waren. ​
  • Zur Festlegung der Kontrollgebiete legten die Autoren kreisförmige Flächen in der gleichen Größe wie das Projektgebiet im Projektland an. Die Studie von West et al. (2020) konnte dagegen die brasilianischen Register nutzen. Da dies in dieser Studie nicht für alle Projektländer möglich war, wurde dieser neue Ansatz angewandt. ​ ​
     
  • Diese Methode mit entsprechendem Ansatz wird auf 27 REDD+-Projekte aus 6 verschiedenen Ländern angewendet.

Von West et al. (2023) analysierte Projekte

27 Projekte wurden analysiert, davon sind oder waren 7 im ClimatePartner Portfolio.

Die fett gedruckten Projekte sind oder waren Teil des Portfolios von ClimatePartner.


Hauptaussagen von West et al. (2023)

  • 6 der evaluierten Projektgebiete wiesen im Vergleich zu den Kontrollgebieten eine stärkere Verringerung der Entwaldung auf.​ ​
     
  • Auswirkungen der Daten aus dieser Studie auf die Wirksamkeit von verifizierten Emissionsreduktionen:
    ​ ​
    • Von den 27 analysierten Projekten hätten 18 Projekte (auf der Grundlage ihrer Basisabholzungsraten) bis 2020 89 Millionen Emissionsreduktionen erzeugen können. 9 Projekte wurden im Rahmen der Studie als ungeeignet verworfen. ​
    • 71 % der 89 Millionen Emissionsreduktionen stammen aus Projekten, die die Abholzung im Vergleich zu ihrem Kontrollgebiet nicht wesentlich verringert haben. 29 % stammen aus Projekten, bei denen eine gewisse Abholzung vermieden wurde, wenn auch nicht in dem von den Entwicklern erwarteten Umfang.​ ​
    • Ersetzt man die Ex-ante-Basiswerte der Projekte durch die Entwaldung an den Kontrollstandorten, wären wahrscheinlich nur 6,2 % der 89 Millionen als Emissionsreduktion und zusätzlich erfolgt. ​ ​
       
  • Bei richtiger Auswahl können synthetische Kontrollmethoden aktuelle Veränderungen der Entwaldungsfaktoren erfassen. Die Annahme von dynamischen Ansätzen würde wahrscheinlich die Probleme der Zusätzlichkeit verringern. VERRA könnte dies in Zukunft berücksichtigen.​ ​
     
  • Nur bei einer Minderheit der evaluierten Projekte wurde die Entwaldung im Vergleich zu den Kontrollstandorten deutlich reduziert.
     

Einschränkungen der Studie, festgestellt von West et al. (2023)

  • West et al. erkennen die folgenden Herausforderungen der dynamischen Methoden an:
    • Kontrollflächen sind möglicherweise nicht immer verfügbar und/oder könnten manipuliert werden.​
    • Dynamische Basiswerte erfassen möglicherweise nicht alle relevanten Determinanten der Entwaldung.​
    • Langfristige Projekte können die für die Berechnung des Ausgangsszenarios benötigten Kontrollflächen überdauern.​
       
  • West et al. (2023) verweisen auch auf die Studie von Guizar-Coutino et al. (2022), die im Durchschnitt eine signifikante Verringerung der Entwaldungsraten feststellt. Dies stimmt mit ihren Ergebnissen für peruanische und afrikanische Projekte überein, die jedoch statistisch nicht signifikant waren, was auf eine geringere Stichprobengröße zurückzuführen sein könnte. ​ ​
     
  • Die Autoren stellen fest, dass die Definition der Kontrollbereiche eine zentrale Herausforderung bei der kontrafaktischen Analyse darstellt.
     

Überprüfung der Aussagen von West et al. (2020 und 2023) durch Verra

  • Verra hält die Studien von West et al. 2020 und West et al. 2023 für "offenkundig unzuverlässig" und stellt eine Reihe von methodischen Mängeln fest:

  • Nichtberücksichtigung von Schlüsselfaktoren der Entwaldung: Keine Berücksichtigung des Waldtyps, der Geografie, der wirtschaftliche Aktivitäten, der landwirtschaftlichen Praxis und anderer sozioökonomischer Faktoren​

  • Vergleich der Projekte mit wahrscheinlich ungeeigneten Referenzgebieten: Auswahl von Gebieten, in denen die Gefahr der Entwaldung nicht oder nur sehr gering ist​

  • Unzureichende Anzahl von Vergleichsgebieten: Die geringe Stichprobengröße der Vergleichsflächen führt zu einer größeren Unsicherheit der Ergebnisse​

  • Verwendung von ungeeigneten Datensätzen: Die in beiden Studien verwendeten Datensätze wurden entweder für zu grob befunden (2020) oder sie beruhen auf Datensätzen, die bekanntermaßen für diese Art von Analyse ungeeignet sind, ohne dass zusätzliche Flächennutzungsdatensätze berücksichtigt werden (2023).
     

Ergänzende Anmerkungen von ClimatePartner

  • Ausgangsszenarien, die auf Landesebene definiert werden (Jurisdictional Baselines), wie auch in der Studie vorgeschlagen und von Verra angeregt, könnten eine Lösung darstellen. ​ ​
     
  • Die synthetische Kontrollmethode ignoriert die einzigartigen Umstände eines jeden REDD+-Projekts.​ ​
     
  • Die synthetischen Kontrollen (definierte Kontrollgebiete) befinden sich häufig in einer anderen Region des Landes als das Projektgebiet. Durch die räumliche Entfernung der synthetischen Daten werden die Auswirkungen der lokalen Entwaldungsfaktoren eliminiert.​ ​
     
  • Die von den Autoren verwendeten biophysikalischen Datensätze sind entweder nicht granular genug, nicht genau genug, bieten keine gute zeitliche Abdeckung oder sind nicht standortspezifisch, um die tatsächlichen lokalen Gegebenheiten abzubilden, was für eine detaillierte Bewertung erforderlich ist. Einige der in dieser Studie verwendeten Daten (Global Forest Change) eignen sich zudem nicht für eine genaue Bewertung der Entwaldungsraten.