Climate Action Insights: Der Tag der Erde – und wie wir mit ihr umgehen sollten
22. April 2021Mit dem Jahr 2021 ist auch die UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen gestartet. Bis 2030 soll dabei im Mittelpunkt stehen, wie die vielfältigen Biosphären der Erde geschützt und reaktiviert werden. Gleich zwei aufeinander folgende Tage spielen dafür im Auftaktjahr 2021 eine Rolle: Der „Tag der Erde“ am 22. April mit dem Motto „Restore our Earth“ und der „Tag des Baumes“ am 25. April.
Beide sind thematisch eng miteinander verbunden, immerhin bedecken Wälder circa ein Drittel der gesamten Landmasse der Erde. Die Termine sind allerdings nicht als Feiertage, sondern eher als notwendige Aktionstage auf unserem Weg zu Net Zero zu verstehen, sie sollen uns zum Handeln bringen. Denn es steht nicht gut um unsere Wälder – weder bei uns vor der Haustüre, noch in Südamerika, Afrika oder anderswo auf der Welt.
Robin Stoffers, Leiter für Projektentwicklung bei ClimatePartner erklärt daher, welche ganzheitlichen Aspekte beim Waldschutz wichtig sind. Und er unterhält sich mit Simon Tangerding von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V. darüber, wie die Zukunft des Waldes bei uns vor der Haustüre aussehen wird.
Mensch und Klima setzen dem Wald zu
Aktuell ist ungefähr noch ein Drittel der Landmasse auf der Erde durch Wälder bedeckt. Doch das Tempo, in dem weltweite Waldfläche verloren geht, wird von Jahr zu Jahr schneller. Wälder sind einerseits bedroht durch die Auswirkungen des Klimawandels mit Trockenheit und Dürre, Schädlingsbefall, Waldbränden oder Überflutungen. Andererseits setzen ihnen die Handlungen des Menschen wie beispielsweise Abholzung, Umwandlung zu Monokulturen und Plantagen oder der Entzug von Grundwasser zu. Abholzungen sowie dauerhafte Landnutzungsänderungen für Land- und Viehwirtschaft machen insgesamt sogar fast ein Viertel der seit 1961 weltweit registrierten, von Menschen verursachten Emissionen von Treibhausgasen aus.
Wie Waldschutz richtig geht: Umbau und Aufforstung
Daher ist es wichtig, bestehende Wälder zu schützen, sie widerstandsfähig zu machen und junge Wälder aufzuziehen. Und dort, wo die Interessen von Mensch und Natur aufeinander treffen, die Möglichkeit zur gemeinsamen Existenz miteinander und füreinander zu schaffen. Waldschutz bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als Ökosysteme zu bewahren oder wiederherzustellen und dabei vielfältigste biologische Komplexitäten zu berücksichtigen. Dafür arbeiten wir bei ClimatePartner seit vielen Jahren mit anerkannten Experten wie dem Bergwaldprojekt in der Schweiz, der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V. und vielen weiteren internationalen Organisationen zusammen.
Bewahren statt zerstören: der REDD+ Mechanismus
Ein Mechanismus im Waldschutz, der bei vielen internationalen Klimaschutzprojekten eine zentrale Rolle spielt, ist der von den Vereinten Nationen geschaffene REDD+ Mechanismus (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation). Er zielt darauf ab, solche CO2-Emissionen zu vermeiden, die mit der Abholzung von Wäldern verbunden sind: Statt mit dem Fällen von Bäumen Geld zu verdienen, können stattdessen die ansässigen Gemeinden ihren Lebensunterhalt durch den Erhalt und Schutz der Wälder verdienen. Im Gegenzug dafür werden Klimaschutzzertifikate, sog. Carbon Credits generiert, durch deren Vermarktung die Wälder wirtschaftlich attraktiver werden als andere Landnutzungsformen. Durch den Erlös der Credits erhalten die Gemeinden zudem auch neue Perspektiven in Bezug auf Bildung, alternative Einkommensquellen und einer umweltverträglichen Landwirtschaft.
Messbarkeit und Verlässlichkeit
Damit regionale Umweltschutzprojekte und internationale Klimaschutzprojekte gültig sind und anerkannt werden können, müssen Waldschutzprojekte fachmännisch und hochqualitativ durchgeführt werden. Standortfaktoren müssen geprüft, Daten genau erfasst und die Leistungsfähigkeit unterschiedlicher Baumarten sowie die mit ihnen erreichte CO2-Einsparung präzise gemessen und dauerhaft überwacht werden. Nur so können sie einen echten und verlässlichen Nutzen für den Klimaschutz beitragen.
Zu den langjährigen Partnern, mit denen ClimatePartner für den Waldschutz hierfür zusammen arbeitet, zählt auch die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V.
ClimatePartner: Lieber Simon, wir haben Euch Waldexperten schon ein paarmal bei Aktionen wie dem Pflanzen von jungen Bäumen begleitet. Wie hat sich die Arbeit im Wald in den letzten Jahren verändert? Welche Aufgaben oder Tätigkeiten sind heute mehr notwendig als noch vor drei oder fünf Jahren?
Simon Tangerding: In den zurückliegenden Jahren haben viele Menschen in Deutschland zu verstehen begonnen, welche große Bedeutung die Natur und der Wald für das eigene Leben haben. Die Themen Waldschutz, Klimaschutz und eine nachhaltige Bewirtschaftungsweise sind daher sehr stark in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.
Die großflächig absterbenden Wälder entlang der Autobahnen, ein immer stärker werdender Befall von Insekten und die mittlerweile deutlich erkennbaren Trockenschäden im Wald bewegen viele Menschen dazu, sich für den Wald in Ihrer Region einzusetzen. Wir haben trotz Corona auf diese Anfragen reagiert und unser Online-Angebot noch einmal erweitert. Zudem haben wir Bildungskonzepte entwickelt, die es den Schulen ermöglichen, Regelunterricht im Wald abzuhalten, um so den Kindern mehr Natur im Alltag zu ermöglichen.
Bei unserer Arbeit im Wald haben sich das Volumen und das Tempo der Aufforstungsmaßnahmen deutlich erhöht. Haben wir früher einzelne Waldbesitzer mit 500 oder 1.000 Bäumen unterstützt, so ist es heute ein Vielfaches davon. Zudem verwenden wir seit einigen Jahren vermehrt Pflanzen, die in einem kleinen Container angezogen wurden. So bringt die Pflanze für die erste Zeit ein eigenes Wasser- und Nährstoffreservoir mit, das den Anwuchserfolg deutlich erhöht. Auf ausgesuchten Flächen, die besonders von Hitze und Trockenheit geschädigt worden sind, haben wir zudem Versuchspflanzungen mit neuen und trockenresistenteren Baumarten angelegt, um diese zu erforschen. Neben veränderten Pflanzverfahren werden sich also auch die Baumartenmischungen der Wälder verändern. Zudem müssen wir Förster heute sehr viel schneller z.B. einen erkennbaren Borkenkäferbefall aufarbeiten und das befallene Holz aus dem Wald bringen lassen.
ClimatePartner: Wohin geht Eurer Erfahrung nach die Entwicklung des Waldes? Und äußert sich dies neben der Artenzusammensetzung und Altersstruktur auch in anderen Bereichen, wie z.B. Wildtiere, Bodenbewuchs, Bodenbeschaffenheit?
Simon Tangerding: Der Klimawandel im Wald zeigt uns sehr eindrücklich, dass wir mehr aus der Natur lesen müssen, um die richtige Bewirtschaftung der Wälder sicherstellen zu können. Nur durch eine genaue Analyse z.B. der bodenkundlichen Parameter können wir die richtigen Baumarten für den geschädigten Wald finden. Betriebe, die bereits auf ökologische Waldwirtschaft umgestellt haben, stehen heute besser da, obgleich auch diese Betriebe unter den klimatischen Veränderungen leiden. In diesen Betrieben finden wir eine Vielzahl unterschiedlichster Baumarten, die kleinräumig, je nach Bodenbeschaffenheit, gemischt sind. Also keine ausgedehnten Wälder mit nur einer Baumart, sondern zwanzig Baumarten.
Wir verstehen auch, dass die natürliche Regenerationsfähigkeit unserer Wälder die Schlüsselqualifikation des Ökosystems Wald in Zukunft sein muss. Nur so können wir die Wälder erhalten. Ein Samenkorn muss also auf den Waldboden fallen und im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen wachsen können. Hierzu müssen in vielen Regionen von Deutschland die Wildbestände noch angepasst werden, um dies zu ermöglichen. Man kann sehr schön bei einem Spaziergang durch den Wald ablesen, ob die Jagd passt.
Was uns Zusehens große Sorge bereitet, ist die anhaltende Trockenheit. In einigen Gebieten in Bayern, z.B. in Franken, hat es so wenig geregnet, dass viele Brunnen trockengefallen sind und pflanzenverfügbares Wasser nicht mehr in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Wenn diese Entwicklung so fortschreitet, werden wir in den kommenden Jahrzehnten den Wald, so wie wir ihn kennen, verlieren, ohne etwas dagegen unternehmen zu können.
ClimatePartner: Wenn wir den Wald heute so ausstatten, damit er im Sinne des Klimawandels überlebensfähig ist, wie wird er in zehn, zwanzig oder fünfzig Jahren aussehen? Müssen wir uns auf einen anderen Wald und somit auch auf andere Landschaftsbilder einstellen?
Simon Tangerding: Die Veränderungen des Waldes, die wir gerade sehen, sind fundamental. Alle Baumarten, die uns zurzeit zur Verfügung stehen, werden am Wald der Zukunft in nennenswerten Anteilen beteiligt. Vielleicht müssen wir auch auf Baumarten zurückgreifen, die in Deutschland noch nicht heimisch sind, wie z.B. die Baumhasel oder die Ungarische Eiche. Die Wälder werden also lebendiger, vielfältiger und bunter werden. Das erhöht auch die Attraktivität dieser Waldbestände. Großflächige Reinbestände sind Vergangenheit. Auch das Landschaftsbild wird sich verändern. Regionen, die heute einen sehr geringen Waldanteil haben, werden Ackerflächen großflächig aufforsten müssen. Die im Westen vorgelagerten Wälder bremsen den Wind und senken die Temperatur um bis zu 15°C. Nur so werden viele Städte im Sommer gerade für ältere Menschen lebenswert bleiben.
Vielen Dank für die detailreichen Infos an Simon Tangerding.
Weitere Informationen zum Waldschutz und dem REDD+ Mechanismus sind auch hier zu finden:
https://www.climatepartner.com/de/die-bedeutung-des-redd-mechanismus
https://www.reddimpact.com/articles/redd-plus-proven-solution